Investieren in Zukunftstechnologie und reale Geschäftsmodelle

In unserer Welt der Internet-Ökonomie gelingt es wenigen großen Internet-Plattformen zunehmend, den Zugang zum Kunden zu kontrollieren. Ihre wachsende Marktmacht ermöglicht es ihnen, einen beträchtlichen Teil der von anderen erzeugten Werte für sich abzuschöpfen – in Suchmaschinen hinterlassene Daten, in soziale Netzwerke eingestellte Inhalte, kreative Güter wie Musik oder Filme, geistiges Eigentum jeder Art, und selbst beim Handel mit physischen Gütern. Was wäre, wenn sich das wieder ändert?

Wir neigen dazu, Entwicklungen wie diese in die Zukunft fortzuschreiben, weil wir uns, die aktuelle Entwicklung vor Augen, das disruptive, alles verändernde Potenzial neuer Technologie kaum vorstellen können. Doch dieses Potenzial entfaltet bereits seine Kraft. Denn die auf Dezentralität angelegte Blockchain-Technologie ermöglicht es, Werte ganz ohne die Intermediation großer Plattformen zu übertragen. Dieser durchgreifende Effekt auf die Wirtschaftsstruktur, wie wir sie kennen, eröffnet auch für Investoren die Möglichkeit, sich an diesem Trend zu beteiligen.

Bekannt geworden ist die Blockchain-Technologie mit dem Bitcoin. Doch der Fokus der öffentlichen Diskussion auf Kryptowährungen hat den Blick darauf verstellt, was Blockchains darüber hinaus zu leisten im Stande sind. Denn die Blockchain-Technologie könnte in vielen Branchen eine Welle disruptiver Innovation auslösen. Das liegt an einem grundlegenden Paradigmenwechsel: Bisher war es nicht möglich, digitale Informationen eindeutig zuzuordnen, da sie quasi ohne Kosten unbegrenzt vervielfältigt werden können. Für die Validierung war eine zentrale Instanz nötig. Blockchain-Technologie durchbricht diese Logik, weil sie es erlaubt, Informationen eindeutig und sicher vor Manipulation abzuspeichern. Das ermöglicht erstmalig die Durchführung sogenannter Peer-to-Peer-Transaktionen, also die sichere Übertragung und eindeutige Zuordnung von Werten. Ein Intermediär muss dafür nicht mehr zwischengeschaltet sein.

Ein Beispiel geben dezentrale Energie-Handelsplattformen, auf denen die Teilnehmer als „Prosumer“ Energie handeln, die sie sowohl selbst produzieren als auch konsumieren. Der Verzicht auf Intermediäre führt neben der größeren Sicherheit dezentraler Strukturen zu erheblichen Effizienzgewinnen. Dieser Handel öffnet auch Investoren ein vollkommen neues Feld. Denn die Initiatoren solcher Peer-to-Peer-Plätze emittieren mit Hilfe der Blockchain-Technologie sogenannte Tokens. Mit diesen Tokens wird die im Geschäftsmodell abgebildete Dienstleistung gehandelt. Im Beispiel bezahlt mit ihnen der Bezieher von Energie seinen Lieferanten. Wenn nun das Geschäftsmodell „Handelsplattform für Energie“ von den Nutzern angenommen wird, erhöht sich die Nachfrage nach den Tokens und damit auch deren Wert. Investoren, die die Chancen des Geschäftsmodells erkannt und Tokens erworben haben, können Wertsteigerungen in ihren Depots verzeichnen.

Zwischen Venture Capital und Kryptoassets lassen sich viele Parallelen ziehen

Die mit der Blockchain-Technologie heute schon realisierten Geschäftsmodelle sind vielfältig: Sie reichen vom Schutz und der Übertragung von Eigentum an Immobilien, Aktien oder Erfindungen über Nutzungsrechte für Speicherplatz oder geistiges Eigentum bis hin zu Identifikationsdiensten. Sogar auf der Grundlage von Likes und Followern lassen sich Geschäftsmodelle aufbauen, weil sie die vom Nutzer bewertete Qualität einer Dienstleistung abbilden. Heute gibt es schon mehr als 1.500 solcher Tokens, die unterschiedlichste Geschäftsmodelle anbieten. Das Investmentuniversum der Kryptoassets hat bereits eine Marktkapitalisierung von über 400 Mrd. US-Dollar erreicht.

Im heutigen Gefüge der Anlageklassen lassen sich Kryptoassets am ehesten unter den Alternatives einordnen. Denn wie viele dieser Anlageformen erfordern Kryptomärkte ein hohes Maß an Eigeninitiative bei der Beschaffung und Bewertung von Informationen. Gerade zwischen Venture Capital und Kryptoassets lassen sich viele Parallelen ziehen: Auch hier gilt es, Geschäftsmodelle, Teams und Technologien in einer frühen Phase zu beurteilen und andererseits die Risiken einzelner Investments im Rahmen einer durchdachten Portfoliokonstruktion zu begrenzen.

Der große Vorteil von Kryptoassets gegenüber Venture Capital und vielen anderen Formen der Alternative Investments liegt jedoch in ihrer hohen Liquidität: Sie lassen sich an unterschiedlichen, heute bereits hochliquiden digitalen Börsenplätzen an 365 Tagen im Jahr über 24 Stunden durchgehend handeln. Damit ist das Kapital nicht auf lange Zeiträume gebunden, Engagements können langsam aufgebaut und dynamisch gemanagt werden. Besonders interessant für Investoren ist zudem, dass die einzelnen Geschäftsmodelle mit ihren sehr unterschiedlichen Werttreibern und Risiken nach bisheriger Erfahrung nur schwach untereinander korreliert sind. Diese Eigenschaft der Kryptoassets ermöglicht eine Portfolio-Allokation, mit der sich die Volatilität auf Ebene des Gesamtportfolios reduzieren und das Risiko-Rendite-Profil der Strategie verbessern lässt. Lassen wir einmal das in jeder Beziehung außergewöhnliche Jahr 2017 außen vor und betrachten beispielhaft die Entwicklung des Bitcoin 2016, zeigt sich eine Sharpe-Ratio von 2,2 – und damit ein sehr attraktiver Wert mit Blick auf die risikoadjustierte Rendite.

Kryptoassets lassen sich ähnlich wie Venture-Capital-Investment analysieren: die Marktfähigkeit der Dienstleistung, ihre Relevanz für die Zielgruppe, die Akzeptanz im Zielmarkt, das Erlösmodell, Vermarktung, Vertrieb und so weiter. Hinzu kommt eine spezielle Dimension: Die Qualität des Algorithmus, Sicherheit, Robustheit, Skalierbarkeit und Zukunftsfähigkeit der Blockchain können in Form technischer Leistungskennzahlen eingeschätzt werden. Bei der Bewertung von Kryptoassets fängt man am besten bei den Methoden an, die man bereits von anderen Vermögenswerten und Wertpapieren kennt. Natürlich müssen die Instrumente an die Besonderheiten der Assetklasse und an die Spezifika der Assets adaptiert werden. Fundamental- und Chartanalyse, angepasste Elemente der Ertragswertmethode, relative Werte, Substanzwerte, Multiples – wer Erfahrung in der Bewertung von Assets mitbringt, kann viele der bekannten Techniken auf Kryptoassets übertragen.

Rund um Kryptoassets entwickeltsich eine Infrastruktur, die auch professionellen Ansprüchen genügt

Zudem entwickelt sich rund um Kryptoassets eine Infrastruktur, die auch professionellen Ansprüchen genügt. So ist der Tausch von gesetzlichen Zahlungsmitteln in Tokens oder der Wechsel von Tokens in Kryptowährungen auf verschiedenen Handelsplätzen jederzeit möglich. Für die Verwahrung dieser Vermögenswerte bieten sich sehr unterschiedliche Methoden an, die sich von Asset zu Asset unterscheiden können. Grundsätzlich ist hier zwischen Komfort und Sicherheitsbedürfnis abzuwägen. Für Investments im professionellen Bereich wird im Regelfall das sogenannte „Cold Storage“ zum Tragen kommen, also die Verwahrung der Assets auf Datenträgern, die nicht an das Internet angeschlossen sind.

Ein Ökosystem an Dienstleistern, die professionelle Investoren bei der Anlage in Kryptoassets unterstützen und regulierte Anlageprodukte auflegen, wächst gerade heran. Beste Voraussetzungen also für diesen noch jungen Markt, weiter zu wachsen und zu einer etablierten Assetklasse heranzureifen.