Keineswegs nur Währungen, Krypto-Serie Teil 1

Die Aufmerksamkeit für Bitcoin und eine Handvoll weiterer Kryptowährungen täuscht über das gewaltige Potenzial der dahinterliegenden Blockchain-Technologie hinweg. Warum das große Universum der Krypto-Assets eine neue Anlageklasse darstellt und was diese auszeichnet, erklärt Nicolas Biagosch von Postera Capital.

Kryptowährungen wie Ripple, Dash, Monero und vor allem Bitcoin haben mit ihrer teils rasanten Kursentwicklung das Interesse von Investoren auf sich gelenkt. Doch der öffentliche Fokus auf die im digitalen Raum erzeugten Münzen verdeckt den Blick auf die eigentliche Entwicklung: Was sich hier herausbildet, ist eine vollkommen neue Asset-Klasse – und diese entwickelt sich in einem atemberaubenden Tempo.

Zum Verständnis vorab: Bitcoin & Co. beruhen auf der technologischen Idee der Blockchain, die es ermöglicht, Transaktionen in einem dezentralen Netzwerk fälschungssicher durchzuführen und zu dokumentieren. Dies muss jedoch keineswegs auf Zahlungstransaktionen beschränkt sein, wie vielfach irrtümlich angenommen wird.

Das zeigt die Plattform Ethereum: Sie ist die derzeit führende dezentrale Plattform für Applikationen wie zum Beispiel sogenannter Smart Contracts. Daneben gibt es zahlreiche weitere Blockchains, die jüngst im Fahrwasser des Technologie-Vorreiters Bitcoin entstanden sind.

Keineswegs nur Währungen

Die mit der Blockchain-Technologie heute schon realisierten Geschäftsmodelle sind vielfältig. Sie reichen vom Schutz und der Übertragung von Eigentum, etwa für Immobilien, Aktien oder Erfindungen, über Nutzungsrechte wie zum Beispiel für Speicherplatz oder geistiges Eigentum bis hin zu Identifikationsdiensten und sogar der Bonitätsprüfung. Selbst auf der Grundlage von Likes und Followern auf sozialen Netzwerken lassen sich Geschäftsmodelle aufbauen. Heute gibt es bereits mehr als 1.300 dieser handelbaren Krypto-Assets, die unterschiedlichste Geschäftsmodelle abbilden.

Das Investmentuniversum der Krypto-Assets hat heute eine Marktkapitalisierung von mehr als 400 Milliarden US-Dollar erreicht. Damit liegt sie zwar noch deutlich unter dem Börsenwert einzelner Unternehmen, wie zum Beispiel Apple.

Doch Krypto-Assets holen rasch auf. Im Juli 2013 vereinten sie noch weniger als 2 Milliarden Dollar auf sich. Ein weiteres Indiz für einen reifer werdenden Sektor: Die Dominanz eines einzelnen Assets, in diesem Fall des Bitcoins, nimmt immer weiter ab. Aktuell, Mitte Februar 2018, hat Bitcoin noch einen Anteil von rund einem Drittel an der Marktkapitalisierung aller Krypto-Assets – mit weiter fallender Tendenz.

Hochliquide Alternatives

Mit welcher bekannten Anlage sind Krypto-Assets am ehesten vergleichbar? Unserer Überzeugung nach ließen sich Krypto-Assets im heutigen Gefüge der Anlageklassen unter den Alternatives einordnen. Denn wie viele der Anlageformen, die unter dem Dach der Alternatives zusammengefasst werden, erfordern Krypto-Märkte ein hohes Maß an Eigeninitiative bei der Beschaffung und Bewertung von Informationen.

Wer sich beispielsweise bereits mit Venture Capital auseinandergesetzt hat, wird viele Parallelen zu Krypto-Assets ziehen können: Auch hier gilt es, einerseits Teams und Technologien in einer frühen Phase zu beurteilen und andererseits die Risiken einzelner Investments durch eine smarte Portfolio-Konstruktion zu begrenzen.

Großer Vorteil gegenüber Venture Capital ist jedoch die Handelbarkeit: Das Kapital ist nicht auf lange Zeiträume gebunden, das Engagement in der Asset-Klasse kann langsam aufgebaut und dynamisch gemanagt werden.

Damit sind auch schon zwei der ganz wesentlichen Merkmale einer eigenen Asset-Klasse beschrieben: Erstens lassen sich die vielfältigen und äußerst unterschiedlichen Geschäftsmodelle der verschiedenen Krypto-Assets klar voneinander abgrenzen. Es handelt sich um eine in sich heterogene Asset-Klasse, die somit eine Risikostreuung zulässt. Und zweitens sind sie handelbar. Im Unterschied zu vielen anderen Formen der Alternative Investments sind Krypto-Assets Anlagen mit hoher Liquidität, denn sie lassen sich an unterschiedlichen, heute bereits hochliquiden digitalen Börsenplätzen handeln – an 365 Tagen im Jahr, 24 Stunden am Tag.

Und was ist mit der Rendite?

Zugegeben, die Wertentwicklungs-Historie der Krypto-Assets ist noch nicht allzu lang. Der vorliegende Zeitraum lässt aber dennoch bereits interessante Schlüsse zu. Schauen wir zunächst auf das Risiko—Rendite-Profil anhand der Sharpe Ratio. Lassen wir hier einmal das in jeder Beziehung außergewöhnliche Jahr 2017 außen vor und betrachten als Referenz die Entwicklung des Bitcoins in 2016. Hier zeigte sich eine Sharpe Ratio von 2,2 – und damit ein sehr attraktiver Wert mit Blick auf die risikoadjustierte Rendite.

Der vielleicht spannendste Hinweis ist die Korrelation mit klassischen Assets. Die folgende Grafik zeigt eine bemerkenswert niedrige Korrelation über einen Zeitraum von mehreren Jahren mit dem Weltaktienmarkt. Aufgrund der verfügbaren Daten wird der Zusammenhang beispielhaft illustriert an Bitcoin, für andere Krypto-Assets lassen sich aber ähnliche Ergebnisse zeigen: Krypto-Assets korrelieren kaum mit Aktienmärkten und können sich daher ideal zur Diversifizierung eines Portfolios eignen.

Ob Krypto-Assets eine Funktion als Krisen- oder Fluchtwährung ähnlich wie Gold besitzen, wurde noch nicht systematisch untersucht, doch es gibt deutliche Hinweise: In krisengeschüttelten Ländern wie Venezuela und Simbabwe, aber auch aus Griechenland, gab es regelrechte „Runs“ auf Bitcoins. Uns Mitteleuropäern mag sich der Wert einer Krisenwährung nicht unmittelbar erschließen. Überall dort jedoch, wo das Vertrauen in die lokale Währung schwindet, zeigt sich schnell ihr Mehrwert, da sich Werte fälschungssicher und schnell auf digitalem Wege speichern und transferieren lassen. Unbestritten sind Krypto-Assets noch mit vielen Risiken verbunden. Die sehr hohe Volatilität ist Ausdruck der schnell wechselnden Marktströmungen, die eng beobachtet werden müssen. Dennoch zeigt sich, dass diese neue Anlageklasse insbesondere wegen ihres Beitrags zur Diversifizierung schon jetzt bei Vermögensverwaltern, Stiftungen und hochvermögenden Privatanlegern als Beimischung im Portfolio auf großes Interesse stößt. Auch regulierte institutionelle Investoren werden sich aus den genannten Gründen zunehmend für Krypto-Assets interessieren. Die Asset-Klasse wird deshalb früher oder später auch für breitere Anlegerkreise erschlossen werden.

 

Über den Autor:
Nicolas Biagosch ist Partner der Postera Capital, einem Beratungs- und Beteiligungsunternehmen im Bereich Blockchain und Krypto-Assets mit Sitz in Düsseldorf. Der gelernte Jurist war 20 Jahre in verschiedenen Management-Positionen von Technologie-Unternehmen tätig und ist zudem Gründer der in digitale Geschäftsmodelle investierenden Beteiligungsfirma Digitalhafen.